15. EXTRABEITRAG MOSKAU

Veröffentlicht am 23. Juli 2013

Wie versprochen nehme ich Sie mit auf meine Reise in die Weltstadt Moskau.

In den letzen Jahren haben wir im Herzen der Stadt zwei große Orgeln aufwändig restauriert, und zwar 2005/06 die Sauerorgel der Peter und Paul Gemeinde und 2007-2012 die Ernst Röver Orgel in der Baptistengemeinde. So hatte ich schon oft das Vergnügen, die Stadt zu besuchen und ich freue mich persönlich jedes Mal darauf.

Doch der Grund dieser Reise schmerzt mich als Orgelbauer.

Die Orgel ist völlig eingestaubt. Nur zwei Jahre nach der Restaurierung der Sauerorgel und der feierlichen Wiedereinweihung der Kirche fanden erneut umfangreiche Baumaßnahmen statt. Die Orgel wurde dem Baustaub ungeschützt ausgesetzt. Eine zwei Millimeter dicke Staubschicht liegt auf den Kernen der Pfeifen, dem Gehäuse, der Balganlage, den empfindlichen Ledermembranen und Tonbälgen. Selbst geschützte Bereiche, wie das Schwellwerk oder der komplett verschlossene Spieltisch sind gleichermaßen verschmutzt.

Ich möchte das Drama an dieser Stelle nicht weiter beschreiben, und ihr orgelliebendes Herz nicht weiter quälen, sondern ein wenig von der  bewegten Geschichte der Orgel erzählen.

Kaum eine Sauer-Orgel ist wohl so viel herumgekommen, wie die in der Peter und Paul Kathedrale zu Moskau. Trotzdem ist dieses Instrument in einem so originalen Zustand, wie man es wohl heute bei nur wenigen Sauer-Orgeln dieser Größe noch findet.

Die aufregende  Reise der Sauer-Orgel beginnt in der Michaeliskirche.

Wilhelm Sauer lieferte diese Orgel mit 33 Registern 1898 in die evangelische Michaelis Kirche nach Moskau. Sie war eine der ca. acht öffentlichen Orgeln der größten Stadt Europas. Nach der Machtübernahme Stalins hatten evangelische Christen besonders zu leiden, und die Kirchenbauten wurden entheiligt, zweckentfremdet oder gar abgerissen. So wurde auch die Michaeliskirche 1928 geschlossen und zwei Jahre später dem Erdboden gleichgemacht.

Durch ein „Wunder“ überlebte die Orgel der Michaeliskirche. Wie? Dank einer neuen Aufgabe. Die Orgel wurde in das staatliche Krematorium umgesetzt. Dort tat sie von 1928 – 1996 ihren Dienst.

Nach der Perestroika erhielten die Gemeinden ihre Kirchen zurück. Nicht nur das, sondern auch entwendetes Inventar bekamen die Gemeinden wieder. Da es die Michaeliskirche nicht mehr gab, wurde – ganz kurz gesagt – die St. Peter und Paul Gemeinde zum Erben ernannt.

Dank eines orgelliebenden Pfarrers und  eines „Wunders“ konnte dieses Erbrecht ebenso auf die Orgel geltend gemacht werden. Herr Pfarrer Lotow demontierte die 33 registrige Orgel einschließlich der großen Balganlage mit einem Helfer. Die gesamte Demontage, der Transport auf dem LKW und die Einlagerung der Orgel in der St. Peter und Paul Kirche erfolgte in nur drei Wochen. Danach lagerte das Instrument  neun Jahre und musste einen weiteren hausinternen Umzug als völlig zerlegte Orgel überstehen.

Sie werden sicher zustimmen, wenn ich nun sage, dass ein weiteres Wunder ist, wenn diese Orgel heute wieder gespielt werden kann und kein Teil fehlt! Doch, dass diese Orgel einer Generalreparatur bedurfte, ist kein Wunder!

Im nächsten Beitrag möchte ich Ihnen diese hochromantische Orgel etwas näher vorstellen. Bei 33 Registern geht kein Register über die 4‘ Tonlage hinaus. Wie kann das sein, fehlt da nicht etwas??? Mit Bildern werde ich Sie mit auf eine kleine Rundreise durch die Orgel nehmen und Ihnen neben den romantischen Registern auch etwas von der Technik zeigen.

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