Erbauer: | Adolf Reubke | |
Baujahr: | 1852 | |
System: | Schleiflade | |
Balgsystem: | Magazinbalg | |
Tonumfang: | C-f''' | |
DISPOSITION | ||
Anlässlich des 350. Geburtstages von Andreas Werckmeister, einem sehr bekannten Musikwissenschaftler der damaligen Zeit, wurde ich 1995 beauftragt, zunächst ein Kostenangebot für die Reparatur der Orgel in der Benneckensteiner Kirche abzugeben. Die Orgel war 1852 von der Hausneindorfer Orgelbauwerkstatt Adolf Reubke erbaut worden und hatte auf zwei Manualen und im Pedal 19 Register (insgesamt 992 klingende Pfeifen aus Holz und Metall). Um den besonderen Klangcharakter von Reubkes Orgel zu verstehen, sei daran erinnert, dass seine musikalische Bildung in Kindheit und Jugendzeit begann, einer Zeit, in der seine Lehrer und diesbezüglichen Vorbilder von der späten Barockzeit, die sich im Übergang zur frühen Romantik befand, geprägt war. So erklärt sich der warme, vollmundige und grundtönige Klang, der aber durch gut verteilten Obertonreichtum in den Registern Viola di Gamba 8’, Prinzipal 8’, Octave 4’, Octave 2’ und der 4fachen Mixtur einen transparenten, ja geradezu majestätischenCharakter erhalten hat. Nach dem grundsätzlichen Umbau und der Erweiterung bzw. einer Dispositionsänderung 1940 durch den Orgelbauer Helfenbein aus Gotha war im Pedal ein neues Register (Singend Cornett 2’) zusätzlich eingebaut worden. Sechs weitere Register sowohl aus Holz als auch aus Orgelmetall wurden außerdem von Helfenbein ausgetauscht, um dem damaligen Dispositonsverständis der Orgelbewegung Rechnung zu tragen. So war aus der ursprünglich frühromantischen Orgel ein neobarockes Instrument geworden, das zu dem Zeitpunkt meines Kostenangebotes 1995 bereits 55 Jahre in dieser Klangart gespielt wurde. Nicht zuletzt auch aus Kostengründen wurde diese Disposition als gewachsener Bestand betrachtet und sollte nicht wieder in den Originalzustand zurückgeführt werden. Durch mangelnde Pflege in der Nachkriegszeit und unzureichende finanzielle Möglichkeiten in der DDR-Zeit, war das Instrument stark verschmutzt und technisch sowie klanglich in einen notvollen Zustand gekommen. Es war für meinen Betrieb eine besondere Herausforderung und Ehre, die Reparaturarbeiten 1997 auszuführen, da es wenigstens zwei Beziehungen zwischen dem Orgelbau in Halberstadt und Benneckenstein gibt. So hat der in Benneckenstein geborene Andreas Werckmeister auch in Halberstadt einen wesentlichen Teil seines Lebens zugebracht und besitzt über die Fachwelt des Orgelbaus weit hinaus einen gewichtigen Namen. Des Weiteren wurde 1805 Adolph Reupke in Halberstadt geboren und erlebte einen Teil seiner Kindheit und frühe Jugendzeit bis zum 15. Lebensjahr dort . Der Schwerpunkt der nötigen Arbeit an der Benneckensteiner Orgel war die Restaurierung der Tonmechanik und der Windladen sowie die grundhafte Reparatur aller zur Zeit vorhandenen Pfeifenregister. Um diese Arbeiten durchführen zu können, musste das gesamte Pfeifenwerk, alle Windladen sowie ein großer Teil der Ton- und Registermechanik demontiert und in die Orgelbauwerkstatt nach Halberstadt gebracht werden. Anschließend erfolgte die Reinigung des Orgelinneren einschließlich des Orgelgehäuses, der der Balganlage und aller demontierten Orgelteile. Danach begann die konkrete Bestandsaufnahme in der Werkstatt. Besonderes Augenmerk galt dem Pfeifenwerk, speziell den originalen Reubke-Registern aus Orgelmetall wie der Octave 4’, der Quinte 2 2/3’, der Octave 2’ und der Mixtur 4fach. Durch eine unsachgemäße Stimmpraxis sahen die Mündungen der Metallpfeifen regelrecht "zerfressen" aus. Sie mussten deshalb abgeschnitten und neu angelängt werden. Viele kleine Pfeifen aus Orgelmetall waren im empfindlichen Bereich des Labiums eingeknickt. Das bedeutete, dass die Pfeifen hier zur Stabilisierung seitliche Stütznähte erhielten. Die Stimmdeckel der gedeckten Metallpfeifen mussten vollständig neu beledert werden, da das alte Dichtungsleder (Schafleder) brüchig und undicht geworden war. Durch die Dispositions- und Intonationsänderung von Helfenbein waren einzelne Holzpfeifenkörper zu kurz und mussten angelängt werden, um die entsprechende Stimmtonhöhe zu erreichen. Andere Holzwandungen waren derart vom Wurm befallen, dass der ganze Pfeifenkörper neu gebaut werden mussten. Viele Stimmbleche aus Orgelmetall waren brüchig bzw. gerissen und mussten darum durch neue ersetzt. Um eine gute Stimmbarkeit der gedeckten Holzpfeifen zu erreichen, wurden alle Lederdichtungen der Stimmdeckel erneuert. Anstelle des ursprünglichen Reubke-Registers Viola di Gamba 8’ blieb die von Helfenbein eingebaute Trompete 8’ nun erhalten, die gründlich aufgearbeitet und nachintoniert wurde. Ein besonderes Augenmerk galt der Restaurierung der Tonmechanik. Alle Abstraktendrähte aus Messing wurden durch neue Drähte ersetzt sowie diverse Mechanikwinkel und funktionsuntüchtige Ledermutter erneuert. Auch der Koppelapparat und die Winkelscheiden wurden aufgearbeitet. Alle Achsen der Pedalwellenrahmen, einzelne Holzwellen und viele durch Holzwurmfrass gebrochene oder instabil gewordene Wellenärmchen wurden ersetzt. Zur Sicherung einer einwandfreien Funktion der Tonmechanik wurden im Pedalbereich drei Abstraktenführungen (Kämme) eingebaut. Da alle vorderen Führungsstifte der Manualklaviaturen total korrodiert waren, mussten diese durch neue Stifte ersetzt werden. In diesem Zusammenhang sind auch die stark ausgespielten Austuchungen der Tastenführungen in den beiden Manualklaviaturen und dem Pedalklavier erneuert worden. Die Tastenbeläge aus Knochen der Manualklaviatur des Hauptwerkes sowie die Tastenbeläge aus Holz der Pedalklaviatur wurden nur im Spielbereich neu aufgeleimt. Die gesamte Tonmechanik wurde nach dem Wiedereinbau der einzelnen Bauteile neu einreguliert. Im Bereich der Registermechanik waren besonders die Achslager der Mechanikwinkel des Hauptwerkes ausgeschlagen, so dass die entsprechenden Achsstifte erneuert wurden. Im Pedalregister Flöte 4’ wurde ein Mechanikwinkel neu angefertigt. An der Beschriftung der Porzellanschilder in den Registerknöpfen am Spieltisch ist deutlich erkennbar, welche Register von Helfenbein verändert bzw. neu eingebaut wurden. Wie anfänglich schon berichtet, waren wesentliche Störungen im Bereich der Manualwindladen (Heuler und Durchstecher) aufgefallen, die eine grundhafte Instandsetzung dieser Windladen in der Werkstatt erforderlich machten. Nach Abbau der Pulpetenbretter, Windkästen, Schleifen und Dämme wurden die vielen Risse in den Tonkanzellen mit Holz ausgespänt und beide Seiten der Windladen plangehobelt. Alle Belederungen der Schleifenbetten aus Schafleder wurden traditionell mit Knochenleim aufgeklebt. Auch die Belederungen der Tonventile waren verhärtet und uneben, sodass sie in zwei Lagen erneuert werden mussten. Holzschrauben und Lederdichtungen der Windkastenverschlüsse und Pulpetenbretter wurden erneuert. Um der Heulergefahr durch herausspringende Ventile vorzubeugen, wurden in den Pedalwindladen Ventilabstoppleisten eingebaut. Bevor die Orgel intoniert und gestimmt werden konnte, waren noch einige Arbeiten am Spielschrank und Orgelgehäuse notwendig. Das Notenpult wurde um ca 4 cm nach innen verlegt, sodass durch die stärkere Neigung des Notenpultes nun die Noten auf dem Pult liegen bleiben. Die Neuinstallation der Manual- und Pedalbeleuchtung im Zusammenhang mit einem neuen Motorschalter war nötig. Die Leitungen wurden so angeschlossen, dass die Pedalbeleuchtung als Kontrolllicht zum elektrischen Orgelgebläse parallel geschaltet ist. Da der Eingang ins Innere der Orgel nur durch eine herausnehmbare Füllung möglich war, wurde eine verschließbare Tür an der Stelle eingesetzt. Um die Stimmbarkeit der Pedalregister unkomplizierter zu ermöglichen, wurden zwei zusätzliche Eingänge in Form von verschließbaren Türen geschaffen. Um für zukünftige Stimm- und Pflegearbeiten den Pedalbereich erreichen zu können, wurden zusätzliche Gangbretter eingebaut. So wurde auch ein stabiles und breites Gangbrett als Stimmgang zwischen den Manualwindladen angefertigt. Nachdem der technische Wiederaufbau der Orgel abgeschlossen und in allen Bereichen deren Funktionstüchtigkeit geprüft war, konnte mit dem registerweisen Einbau der Pfeifen begonnen werden. Diese Arbeit war sehr aufwändig, da die Pfeifen insgesamt in einem sehr schlechten Erhaltungs- und Intonationszustand waren. Außerdem war durch die zunehmend undicht gewordenen Windladen, Kanäle und Balganlage ein ständiger Windverlust und damit verbunden Winddruckminderung gegeben, die man durch das Auflegen von zusätzlichen Balggewichten auszugleichen versuchte. Nach dem Abdichten der gesamten Windanlage, war nun der Winddruck zu hoch, was dazu führte, dass die Orgelregister zu laut ansprachen und in ihrer Intonation unausgeglichen waren. Nur durch ein schrittweises Herantasten an die originale Ausgangssituation hinsichtlich Winddruck und Tonhöhe konnte dieses Problem gelöst werden. Dabei wurde ein Winddruck von 75 mm Wassersäule und eine Tonhöhe von 441 Hz bei 15° Celsius ermittelt und neu festgelegt. In der Benneckensteiner Orgel finden wir zwei Intonationsarten, die leider kein homogenes Klangbild als Ganzes ermöglichen. Zum einen haben wir etwa 2/3 der Pfeifen als originale Pfeifen, die von Reubke auf offenen Fußlöchern intoniert wurden. Dagegen stehen die sieben Register von Helfenbein auf gekulpten Fußlöchern. Wenn man die Helfenbein-Pfeifen auch auf offenen Wind stellen wollte, würde man ihnen nicht gerecht werden und sie trotzdem würden nicht annähernd so klingen wie die Pfeifen von Reubke. In der Unterschiedlichkeit der Klangbilder ist aber keine Konkurrenz zu sehen, sondern ein "friedliches Nebeneinander“, das deutlich werden lässt, wie jede Generation aus ihrem eigenen Selbstverständnis und ihrer eigener Schule heraus, Klänge empfunden und gestaltet hat.